Die aktuell viel diskutierte Künstliche Intelligenz erweckt viele Ängste und Sorgen. In diesem Text möchte ich aktuelle Entwicklungen einordnen und Folgen abschätzen. Vorneweg nur so viel: (Noch) müssen wir uns keine existenziellen Sorgen machen. – Ein Text von Johannes Moser, erschienen in der Thema Vorarlberg Ausgabe Nummer 97, Kategorie Wissenschaft, April 2024.
In den letzten Jahren haben drei Entwicklungen dazu beigetragen, dass die Künstliche Intelligenz einen großen Schritt nach vorne gemacht hat. Die Modelle dahinter haben sich durch Forschung und viele Investitionen stark verbessert. Die Prozessoren, die diese Modelle anwenden, haben einen Entwicklungssprung gemacht. Mit der generativen künstlichen Intelligenz hat sich ein greifbarer, verständlicher Anwendungsfall etabliert, der das Thema für die breite Masse zugänglich macht. Künstliche Intelligenz selbst wurde seit Jahrzehnten entwickelt. Sie ist in unterschiedlicher Form und in unterschiedlichen Abstufungen heute schon fester Bestandteil unseres Alltags. Künstliche Intelligenz ist in Geräten und Programmen, die wir direkt und indirekt verwenden. Medizin, Mobilität oder gar Haushalt wären nicht dort, wo sie sind, ohne künstliche Intelligenz und deren Abstufungen.
Die Ergebnisse und Erfahrungen, die im Moment gemacht werden, sind beeindruckend. Dies verstärkt sich durch hypothetische Zukunfts-Szenarien, die durch die Medien gespielt werden. Von denen ist die Realität und Technologie aber deutlich entfernt.
So ergibt sich die Situation, dass die Technologie bereits mehr Einfluss auf viele Bereiche unseres Lebens hat, als wir wahrnehmen. Aber in spezifischen Bereichen stehen noch entscheidende Entwicklungen vor uns. Diese werden auch nicht so einfach zu bewerkstelligen sein.
Vergleichbar dazu sind Cyborgs, wie sie in Science Fiction Filmen der 80er Jahre als Mischung zwischen Mensch und Maschine oft dargestellt wurden. Während dadurch erwartet wird, dass wir Wesen aus Metall und Fleisch mit leuchtenden Augen begegnen, sind wir eigentlich schon Cyborgs. Es hat sich lediglich für die Schnittstellen “Auge-Bildschirm” und “Hand-Knopf” noch keine bessere Alternative gefunden.
Die Auswirkungen der künstlichen Intelligenz spielen sich nicht auf existentieller Ebene ab. Es ist schlicht ein Kultursprung, der gerade stattfindet. Der Abstand von Kultursprung zu Kultursprung wird immer kürzer. Es kann argumentiert werden, dass Internet (einfach frei zugängliches Wissen), die sozialen Medien (jeder wird zum Autor) und nun künstliche Intelligenz (die Maschine bereitet Wissen auf) jeweils einen Kultursprung darstellen. Es passiert nun mehrfach in wenigen Jahrzehnten, was früher Jahrhunderte (Buchdruck-Industrialisierung) gedauert hat. Die künstliche Intelligenz ist einmal mehr eine massive Technologie, die letztendlich unsere Kultur verändert. Sie wird verändern, was wir als real sehen, wie wir produzieren, wie wir Wissen verstehen, wie wir (an unsere Kinder) Wissen vermitteln und wie wir unser Zusammenleben politisch regeln.
“Wissen” wird sich grundlegend verändern, weil es nicht mehr nur darum geht, Wissen zu vermitteln. Es geht darum, die richtigen Wissensquellen zu finden, die richtigen Fragen zu stellen, Fakten und Antworten richtig einordnen zu können und die Wissens-Werkzeuge – wie KI – richtig anzuwenden. Hier droht die Gefahr, dass wir das Bildungssystem und die Politik nicht schnell genug auf das neue Verständnis zu “Wissen” anpassen können.
Als Menschheit werden wir uns Gedanken machen müssen, wie wir mit der gesteigerten Produktivität umgehen. Sie hat sich in den letzten 50 Jahren 3,5-fach mehr erhöht als die Löhne. Durch die Produktivitätssteigerung, die mit der künstlichen Intelligenz kommt, wird sich diese Schere weiter auftun. Wir alle werden von den technologischen Entwicklungen auch weiterhin profitieren, wie wir es in der Vergangenheit gemacht haben. Die Frage ist letztendlich, wie gleich wir davon profitieren oder ob wir den Unterschied zwischen den Gesellschaftsschichten weiter erhöhen. Dies wird zu weiteren Spannungen führen. Auch Konservative werden sich über kurz oder lang mit dem bedingungslosen Grundeinkommen beschäftigen müssen. Dank der KI.
In Vorarlberg sind wir abgelenkt von den Erfolgen der alten Welt. Unser Wohlstand basiert auf Industrien, die zukünftig starkem Wandel unterliegen werden. Wir sind so erfolgreich, weil wir politische Entscheidungswege, Bildung und Forschung auf diese Industrien optimiert haben. Es droht nun die Gefahr, dass wir den neuen Themen zu wenig Aufmerksamkeit und Raum geben. Richtig schade ist, dass wir verbissen am Bestehenden festhalten und nicht unsere privilegierte Position nutzen, voranzugehen und die Zukunft unserer Welt mitzugestalten.
Wir sind angetreten, um mit Wissen, Forschung und Technologie unser Leben einfacher zu machen. Jetzt liegt es an uns, dass wir die gesteigerte Produktivität und Effizienz, die nun in der künstlichen Intelligenz ihre Spitze findet, auch fair verteilen. Letztlich ist es die Leistung unserer Menschheit und nicht einzelner Helden.