
„Die Politik wird gern hingestellt als unfähig, langsam und unbeweglich. Aber in Wirklichkeit war es immer die Politik, die uns unterm Strich gerettet hat.“

Peter Purgathofer, Professor für Human-Computer-Interaktion an der TU Wien, ist einer der schärfsten Kritiker der unregulierten Technologieindustrie und ihrer gesellschaftlichen Auswirkungen. Er forscht seit vielen Jahren an der Schnittstelle zwischen Mensch und Technik und beobachtet dabei, wie sich beide gegenseitig beeinflussen und verändern. Dabei hebt er die Bedeutung von Regulierung hervor: „Es gibt einen wechselseitigen Veränderungsdruck – die Gesellschaft formt die Technologien, indem sie entscheidet, wie sie sie annimmt, aber auch durch Gesetze und Regulierungen.“
Ein zentrales Thema, das Purgathofer beschäftigt, ist die Verantwortung der Gesellschaft, technologische Entwicklungen nicht sich selbst zu überlassen. In der Vergangenheit habe die IT-Industrie oft das Narrativ verbreitet, dass sie am besten funktioniere, wenn sie frei von staatlichen Eingriffen sei. „Die Erzählung, dass Technologie sich am besten entwickelt, wenn man sie in Ruhe lässt, stimmt einfach nicht,“ sagt er.
Dabei spielt Purgathofer besonders auf die großen Konzerne an, die mit der Einführung neuer Technologien oft demokratische Prozesse unterlaufen. Ein Beispiel dafür ist die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Diese wurde von der Technologieindustrie heftig kritisiert, obwohl sie, wie Purgathofer betont, „zu unser aller Vorteil wirkt und funktioniert“. Die DSGVO zeigt, dass die Politik in der Lage ist, sinnvolle Regulierungen durchzusetzen, die die Macht der Tech-Industrie zumindest teilweise eindämmen.
Purgathofer macht klar, dass die unregulierte Entwicklung von Technologien zu tiefgreifenden gesellschaftlichen Problemen führen kann. Ein besonders kritisches Beispiel dafür ist die künstliche Intelligenz (KI). Während KI-Systeme immer mehr in den Alltag vordringen, sieht er darin eine große Gefahr für die Art und Weise, wie Menschen lernen und denken. „Wir werden eine Generation bekommen, die sich nicht mehr so gut ausdrücken kann und die mit einem System arbeitet, das nur Durchschnittstexte ausspuckt.“ Diese Entwicklung bedroht das tiefe Verständnis und die Fähigkeit, eigenständig zu denken. Purgathofer fordert deshalb eine grundlegend neue Herangehensweise in der Bildung: „Das Lernen und Lehren muss weg vom Erklären und Zuhören, hin zu einer Bildung, die die Neugier der jungen Menschen fördert.“
Für Purgathofer liegt der Schlüssel in einer geregelten Zusammenarbeit von Technologie, Politik und Bildung. Nur durch klare Richtlinien und Regulierungen kann die Gesellschaft sicherstellen, dass Technologie den Menschen dient und nicht umgekehrt. „Wir brauchen eine andere Erzählung darüber, was Politik ist und was sie kann,“ sagt er. Denn die technologische Entwicklung dürfe nicht als unkontrollierbare Kraft hingenommen werden – sie müsse im Einklang mit den Werten und Bedürfnissen der Gesellschaft stehen.
Ein besonderes Anliegen ist Purgathofer der Umgang mit Künstlicher Intelligenz. Er fordert ein Gesetz, das alle Anbieter von generativen KI-Systemen dazu verpflichtet, Tools bereitzustellen, mit denen erkennbar ist, ob ein Artefakt von KI erstellt wurde. „Das ist technisch möglich und könnte viele der Missbrauchsfälle verhindern,“ argumentiert er.
Zum Abschluss warnt Purgathofer davor, den Einfluss der Technologie zu unterschätzen. Die Erzählung, dass es uns allen besser gehe, wenn wir die Technologieindustrie nicht regulieren, müsse endlich ein Ende finden. „Wir müssen die Erzählung der Technologieindustrie, dass sie am besten in Ruhe gelassen wird, auf die Seite legen.“
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